Ich saß wenige Minuten später frisch geduscht, aufgewacht und gut gelaunt im Auto und stand damit an der Ampel gleich hier am Eck. Da geht mir die Wahrnehmung durch den Kopf, das Leben hier in Mitteleuropa sei auch nicht anders, als in Indien. Nun, ich war noch nicht in Indien, doch dank Internet, Kinofestivals und freundschaftlichen Kontakten ist die Welt derart klein und übersichtlich geworden, dass ich meinen könnte, das reicht für diesen Moment.
Das Treiben auf der Groß-Baustelle hinter unserem Wohnhaus ist in vollem Gange. Eltern begleiten ihren Nachwuchs. Junge Menschen eilen mit dem Fahrrad. Motorroller und Autos eilen von Ampel zu Ampel. Und dann geschieht es plötzlich, dass mir in den Sinn kommt, in Indien die gleiche Freiheit leben zu können wie hier. Die Nachbarn sind generell freundlich, gelegentlich zuvorkommend, meistens in Eile. Die Regierungen planen und betreiben allerlei Großprojekte im Namen industrieller Komplexe. Wer die passenden Kontakte pflegt und gute Freundschaft schenkt, kommt immer gut zurecht und weiß von viel Langeweile nicht zu berichten. Die Kür wird sein, sich nicht ausschließlich hier oder dort aufzuhalten, sondern die Kühnheit zu besitzen, hier oder dort zu sein, wie es einem beliebt. Oder sollte ich Freiheit sagen?
Und der Höhepunkt, als ich zurück komme stehen gegenüber auf der Straße bei der Grundschule zwei alte Reisebusse, tip-top in Ordnung. Die dreieckige Kreuzung, an der aufgrund der örtlichen Beschulung[3] seit früher Vorzeit der Verkehr nur vorbei fließt, statt hinweg, ist überfüllt von Eltern, Aufpassern und deren Zöglingen für eine KDF-Kinderlandverschickung (zumindest kommt es mir so vor). Auf allen Einmündungen und Auffahrten stehen jeweils zwei Elterntaxis oder die PKW der Nachbarn, denen so wie mir nun im Augenblick kein Platz bleibt, das Auto ordnungsgemäß und auf legale(sic!) Weise zu entladen. Ich stelle mich also in zweiter Reihe auf den Fußweg, so dass ich nichts beschädige und niemanden störe. Während ich meine Erledigungen fortsetze, hab ich das Treiben vor dem Haus mit im Auge.
Vierzig Minuten später ist alles vorbei; als sei nie etwas gewesen. Nur zahlreiche Parklücken sind noch zu sehen, die sich nun, wie Buddellöcher am Strand, sehr unauffällig wieder schließen werden. Ich mache den Anfang.
[1] http://trashotron.com/agony/news/2006/03-27-06.htm
[2] http://30daycleanse.de
[3] http://schoolingtheworld.org