Es war einst Proudhon, der schrieb, Eigentum ist Diebstahl! Nun, ich denke ich habe es durchdrungen und setze noch eines drauf: Eigentum ist eine Form von Raub.
Wenn ich im Besitz von etwas bin, im Besitz eines Gegenstandes den ich halte, oder im Besitz einer Fertigkeit, wie das Sprechen oder das Pflegen einer Beziehung, so habe ich die Kontrolle über diesen Besitz.
Eigentum ist nun der Anspruch auf etwas, das sich im Besitz eines Anderen befindet. Dieser Anspruch ist nur dann relevant, wenn ich etwas gegen den Willen des Anderen in meinen Besitz (zurück) bringen will.
Eigentum ist dabei m. E. letztlich Raub, da Diebstahl vor sich geht ohne Kenntnis meines Opfers und Trickbetrug sich vor den Augen meines Opfers abspielt oder gar unter Beteiligung, sich der erfolgreiche Betrug jedoch frühstes offenbart, wenn ich ihn vollzogen habe. Ein gestellter Anspruch auf Eigentum kann dabei alle drei Stufen durchlaufen. Die Schärfe meiner Tat wird bestimmt durch die Fertigkeit meines Opfers, der Tat zu entgegnen und meiner Bereitschaft (als Gläubiger, im wahrsten Sinne des Wortes), mir den Besitz meines Begehren zu verschaffen beziehungsweise den Anderen seiner Fertigkeit zu berauben.
Hat sich jemand mit meinem Einverständnis Besitz von etwas verschafft, so ist davon auszugehen, dass es meine Fertigkeit eine Beziehung zu Pflegen bestimmt, ob und wann ich den Besitz zurück erhalte. Scheitere ich darin, einen vorherigen Besitz zurück zu erhalten, so ist dies ein Mangel an Fertigkeit, der mir neues Potential eröffnet, diese Fertigkeit zu verbessern.
Bin ich in der Lage eine komplexe Organisation mit vielen Beteiligten aufzubauen oder in meinen Besitz zu bringen, ist dies für mich so lange legitim, wie ich keine Gewalt initiiere, um den Besitz zu erhalten oder zu sichern. Ein Rechtsanspruch geht hierbei stets auf Exekutivgewalt zurück und bricht damit unveräusserliche Rechte Anderer; ganz gleich wer die Gewalt ausführt.
Bevor es nun hier in die Diskussion geht, will ich zwei Quellen nennen, die mir gestern, den 7/3/13 und heute, den 7/4/13 geholfen haben, dieses wundervolle AHA-ERLEBNIS zu haben, welches für mich weniger ein intellektuelles ist, als ein gelebtes. Bei der Frage nach Eigentum stellt sich nämlich m. E. zuerst die Frage, WIE ich selbst jene Eigentumsansprüche durchzusetzen gewillt bin, die ICH an Andere stelle. Darum schildere ich obige Theorie auch aus erster Person. Hier einseitig Andere zu verurteilen, selbst jedoch Gewalt initiieren zu wollen, wenn man es für angebracht hält, ist m. E. ein Zeichen von bislang unausgewogener Gerechtigkeit.
Quelle Nummer eins ist Eric Frank Russells Kurzgeschichte "And Then There Were None" aus dem Jahre 1951, die sowohl im Original Englisch als auch deutschsprachig frei im Internet zu finden ist. Ich bin auf Wunsch gerne behilflich.
Darin wird eine Szene beschrieben, die sich an einem Springbrunnen abspielt und eben jene Lebenseinstellung der Aggressionsfreiheit vermittelt.
Quelle Nummer zwei ist ein Buch, dass mir aus einer Erbschaft durch die Hände ging, bevor ich es nun heute ausrangiert habe. Es trägt den Titel "geschichte der internationale Band I" aus dem Jahre 1961 von Julius Braunthal. Darin wird eben diese Geschichte beschrieben, ausgehend von dem Kosmopoliten Thomas Paine und dessen Veröffentlichungen zu Common Sense und Menschenrechten.
So heißt es zu Beginn dieser Geschichte zum Niedergang der Französischen Revolution, die erwählten Repräsentanten hätten einen Widerspruch missachteten, der zwischen unveräusserlichen Menschenrechten und Eigentum bestehe. 1791 folgte ein Dekret, dass die Herrschaft Napoleons einleitete. Ich habe hierzu folgendes notiert:
Die politisch Erfolgreichen der Zeit im Frankreich der Revolution machten den Fehler, das Kind der Menschenrechte im Bade des Eigentums zu waschen, und so wurde es ausgekippt, als "die Nation" (das Monopol auf Gewalt; auf Eigentum) in Gefahr war (Dekret vom 3/18/1793).
Menschenrechte beschreiben unveräußerlichen Selbstbesitz. Dieser kann mittels Besitzanspruch Zweiter (Eigentum) nicht geschützt werden, und wird somit zerstört (Gewalt zerstört Freiheit und Prosperität ~ Claud R. Koerber). Sogenanntes Gemeineigentum verschärft dieses Paradox, da der potentielle Gewalttäter unsichtbar wird. Das Potential entfaltet sich in gewitterartigen Entladungen. Gewalt wird sichtbar, nicht jedoch deren Quelle (Antiprosperität).
Nun habe ich mich gefragt, welche Bedingungen in Nordamerika möglicherweise zu anderen Ereignissen geführt haben, als es in Frankreich der Fall war. Vermutlich war es das Dekret, des den alten Mächten entsprungen ist, welche Nordamerika betreffend aufgrund des Atlantiks geographisch nur bedingt Einfluss hatten und damals (zumindest) blutig verjagt werden konnten.
Zudem wurde die Frage des Eigentums, wie sie sich in Frankreich stellte, in Amerika wohlmöglich nicht in jener Form diskutiert sondern gelebt. Und das zuletzt vermutlich aufgrund der schier unendlichen Weiten des Kontinentes, die in Europa so bereits lange nicht mehr gegeben waren, da es bereits vergleichsweise eng bevölkert wurde.
In Nordamerika führte dies wohlmöglich dazu, dass sich die Eigentumsfrage ideengeschichtlich gar nicht erst stellte, bis sich das Blatt nun in den Jahrzehnten der Gegenwart ebenfalls wendet.
Was soll Vorrang haben, Recht und Ordnung oder Menschenrechte? Ich halte dies für eine der zentralen Fragen schlechthin; und es ist für mich nicht so sehr relevant, wie sie intellektuell beantwortet und fortgesetzt vernebelt wird, sondern wie sie sich im Alltag abzeichnet.
Jetzt, wo Du diese Zeilen gelesen hast, befinden sich sowohl diese Gedanken als auch deren geschriebenes Wort in Deinem Besitz. Was Du damit tust, sei Dir überlassen.
Update 8/20/14:
Gut ein Jahr ist nun vergangen, seit ich obige Zeilen schrieb. Ein Jahr ohne Blutvergießen (zumindest hier bei mir), ohne Guillotine, ohne Strafe, doch nicht ohne Dialog. Mich erfüllt dies mit Dankbarkeit!
Ein Thema wird dabei immer wieder angeschnitten, doch nur selten reicht die Ausdauer der Beteiligten, dann immer noch weiter zu denken. Das Thema ist der Rechtsrahmen, der zwischen Besitz und Eigentum ursächlich unterschiedlich ist. Besitz ist hierbei offensichtlich abhängig von mindestens einer zwischenmenschlichen Beziehung. Eigentum hingegen besteht oder fällt in Abhängigkeit mehrerer nicht-zwischenmenschlicher Beziehungen, von denen nicht alle immer offensichtlich sind.
Wenn Eigentum auch nicht in jedem Fall Raub sein mag, so raubt die Auseinandersetzung darum doch so manchem den Verstand. Bitte lass es diesmal nicht wieder so weit kommen.